Das Reallabor – ein Format, viele Ansätze

Das Reallaborformat entwickelte abhängig von den Fördergebern, Themenschwerpunkten, Akteurskonstellationen und Partizipationsgraden unterschiedliche Ansätze.

Formuliert und verbreitet wurde das Reallabor-Format durch die konzeptionellen und praktischen Arbeiten des Wuppertal Instituts. Der speziell deutschsprachige Reallabor-Diskurs ist ein Teil der nationalen und internationalen Forschung rund um realweltlich verankerte Forschungsprojekte. Sie sind mit „(sustainable) living labs“ (Kareborn & Stahlbrost 2009, Liedtke et al. 2012, 2015) und „urban transition labs“ verwandt (Nevens et al. 2013).

In drittmittelfinanzierten Forschungsprojekten wurde der Reallabor-Ansatz innerhalb eines Jahrzehnts weitgehend etabliert. Abhängig von den Fördergebern, Themenschwerpunkten, Akteurskonstellationen und Partizipationsgraden bekam er unterschiedliche Ausprägungen. Die ursprüngliche Idee tragen Projekte aus den Förderlinien in Baden-Württemberg (MWK 2013: 16, 30f.), hier ist der Name das Programm. Die zeitnahen großen Ausschreibungen des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) sehen Reallabore als einen wichtigen Teil des Forschungsdesigns vor.

Der Begriff „Reallabor“ hat sich außerdem von seinem Ursprung in der transdisziplinären Nachhaltigkeitsforschung in andere Felder verbreitet. Seit 2019 verfolgt das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie die Einführung von „Reallaboren“ im Sinne von regulativen Experimentierräumen, insbesondere um die Governance neuer Technologien (z.B. mittels Experimentierklauseln) zu testen (BMWi 2019). Im Einklang damit stehen die Ziele der großformatigen Reallabore, die seit 2020 durch das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI), jetzt Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) gefördert werden.

 

Fördergeber, exemplarische Förderprogramme und das jeweilige Reallaborverständnis

Fördergeber

Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF)

Förderprogramme
  • Nachhaltiges Wirtschaften (NaWi)
  • Zukunftsstadt 2030+
  • Kopernikus-Projekte für die Energiewende
  • Klimaresilienz durch Handeln in Stadt und Region
  • MobilitätsWerkStadt 2025
  • MobilitätsZukunftsLabor 2050
  • diverse FONA-Fördermaßnahmen
Reallabor-Verständnis

„Ein Reallabor bezeichnet einen gesellschaftlichen Kontext, in dem Forscher:innen Interventionen im Sinne von 'Realexperimenten' durchführen, um über soziale Dynamiken und Prozesse zu lernen" (BMBF 2016:16).

„Unter Reallaboren sind gezielte und durch Wissenschaft begleitete Veränderungen in Städten, Stadtteilen, Regionen, Branchen etc. zu verstehen, in denen ein Transformationsprozess unter der Mitwirkung der betroffenen Menschen stattfinden kann. Sie können sich sowohl auf technologische als auch soziale Innovationen beziehen. Meist geht es um konkrete Interventionen, um über soziale Dynamiken und Prozesse zu lernen. [...]" (BMBF, 2016)

Fördergeber

Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg (MWK)

Förderprogramme
  • BaWü-Labs
  • Stadt
  • Künstliche Intelligenz
  • Klima
Reallabor-Verständnis

„Reallabore bieten die Möglichkeit, in der Zusammenarbeit von Wissenschaft und Gesellschaft innovative Handlungsmodelle sowie Lösungsansätze auszutesten und zu erforschen. Außerdem helfen sie uns, gesellschaftliche Veränderungsprozesse besser zu verstehen und konkret mitzugestalten zu können. Gemeinsam mit Akteuren aus Gesellschaft, Politik und Wirtschaft arbeiten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in einem ergebnisoffenen Prozess an zukunftsfähigen und nachhaltigen Lösungen. Reallabore unterscheiden sich wesentlich von anderen Forschungsformaten durch das Ko-Design von Wissenschaft und Praxis, ihre Transdisziplinarität, zivilgesellschaftliche Orientierung und durch ihren Laborcharakter.“
(MWK)

Fördergeber

Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg

Förderprogramm

Transformation des Energiesystems in Baden-Württemberg (Trafo BW, BWPlus)

Reallabor-Verständnis

„[…] inter- und transdisziplinäre Forschungsvorhaben in Kooperation mit der Praxis, sogenannte Reallabore.“
(Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg, 2018)
„Die geförderten Vorhaben sollen dabei exemplarisch praktizieren und damit auch demonstrieren, wie Wissenschaft in enger Kooperation mit der Praxis zur Unterstützung der Energiewende verstärkt zusammenarbeitet […]."  
(Trafo BW, Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg)

Fördergeber

Bundesministerium für Wirtschaft und Energie/Klimaschutz (BMWi/K)

Förderprogramme
  • Energiewende
  • Digitalisierung
Reallabor-Verständnis

"Reallabore (englisch: 'regulatory sandboxes') bieten die besondere Chance, nicht nur über Innovationen zu lernen, sondern auch über deren rechtlichen Rahmen. Als 'Testräume für Innovation und Regulierung' sind Reallabore durch drei Elemente gekennzeichnet.
1. Reallabore sind zeitlich und räumlich begrenzte Testräume, in denen innovative Technologien oder Geschäftsmodelle unter realen Bedingungen erprobt werden. [... ] 2. Reallabore nutzen rechtliche Spielräume. [... ] 3. Reallabore sind mit einem 'regulatorischen Erkenntnisinteresse' verbunden. [...] (BMWi, 2019:7)

Fördergeber

Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI), jetzt Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV)

Diverse Großprojekte

  • Reallabor Digitale Mobilität Hamburg (RealLabHH)
  • Urban Air Mobility
U-Space-Reallabor

und Programme

  • Nationaler Radverkehrsplan (NRVP) etc.
Reallabor-Verständnis

Das Testen neuer Technologien mit Anwendern/ durch Nutzer:innen unter realen Bedingungen, um Potentiale zu erproben und rechtliche Rahmen anzupassen (z.B. Pressemitteilung des BMVI zu U-Space-Reallabor, 2021).

Quelle: Wanner, Stelzer 2019: 5, ergänzt

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