Beteiligungsformate im Reallabor Stadt:quartiere 4.0

Aus dem Abschlussbericht des Projekts

Kinderbeteiligung bei der Voruntersuchung des Sanierungsgebiets Stuttgart-Gaisburg

Eines der im Reallabor Stadt:quartiere 4.0 durchgeführten Beteiligungsformate fand im Frühjahr 2018 im Rahmen der Voruntersuchung des Sanierungsgebiets Stuttgart-Gaisburg statt. Hier wurden verschiedene digitale Werkzeuge angewendet, mit deren Hilfe die Präferenzen der Kinder spielerisch abgefragt und sichtbar gemacht wurden. Die spezifischen Ortskenntnisse und die Wünsche der Kinder sollten bei der städtischen Planung berücksichtigt werden. Eine wichtige Forschungsfrage war dabei, inwieweit digitale Formate eine Erleichterung gegenüber analogen bieten und welchen Anreiz zur Beteiligung sie liefern. Gemeinsam mit dem Jugendamt Stuttgart und einem Planungsbüro testete das Reallabor die vornehmlich auf die Analyse ausgerichteten Hilfsmittel.

Als erstes wurde ein Mapping des Sanierungsgebiets Gaisburg erarbeitet. Kinder zeichneten aus dem Gedächtnis ihre Wege im Quartier: beliebte, gemiedene und problematische Orte. Die Ergebnisse wurde in einem Schrägluftbild des Gebiets verortet und visualisiert.

Kinderzeichnung "Meine Wege in Gaisburg"
Kinderzeichnung "Meine Wege in Gaisburg"
Karte des Gebiets Stuttgart-Gaisburg mit den Eintragungen der Kinder
Karte des Gebiets Stuttgart-Gaisburg mit den Eintragungen der Kinder

Für die anschließenden Stadtspaziergänge stattete man zwei Kindergruppen mit digitalen Werkzeugen aus: Eine Gruppe konnte die App #stadtsache zur Dokumentation ihrer Beobachtungen nutzen; der Spaziergang einer zweiten Gruppe wurde mit Sensoren der Forschungsgruppe Urban Emotions aufgezeichnet.

 Die App #stadtsache in Verwendung
Die App #stadtsache in Verwendung
Ergebnisse der Messung durch Urban Emotions
Ergebnisse der Messung durch Urban Emotions
Kinder beim Stadtspaziergang mit der App #stadtsache
Beim Stadtspaziergang mit der App #stadtsache

Gemeinsam mit den Kindern wurde ein Modell des Sanierungsgebiets, in dem sich die Grundschule der Kinder befindet, im Maßstab 1:200 gebaut. In einer „Ideenwerkstatt” formulierten die Kinder Wünsche und Ideen für ihren Stadtteil. Erneut kamen analoge und digitale Werkzeuge zum Einsatz, um kreative Anreize zu geben und die Ideen der Kinder zu visualisieren. Die Grundlage bildete das erwähnte Modell, in das mit Hilfe von Visitenkarten, Post-Its, Blumen, Fähnchen etc. die Ideen verortet werden konnten. Zusätzlich wurde es mit digitalen Inhalten wie Fotos, Videosequenzen, Interviews, Audiodateien, Links etc. in Form von QR-Codes ergänzt. Das Übertragen eigener Erfahrungen und Erlebnisse im öffentlichen Raum auf ein abstrahiertes Umgebungsmodell fiel den teilnehmenden Kindern trotz des groß gewählten Maßstabs nicht leicht. Bei der Arbeit am Modell standen vor allem spielerische Aspekte wie das Bauen und Gestalten im Vordergrund.

Modell des Gebiets Stuttgart-Gaisburg
Modell des Gebiets Stuttgart-Gaisburg

Als einer der Orte für Veränderung wurde von den Kindern z.B. der “Gaisburger Hang” identifiziert. Das Foto, das den Ist-Zustand zeigt, wurde mit Ideen der Kinder überzeichnet. Mit Hilfe eines Bildbearbeitungsprogramms wurden sie visualisiert. Es zeigte sich, dass durch die unterschiedlichen Formate der kreative Prozess und die Diskussion unter den Kindern unterstützt und gefördert wurden.
Die Ergebnisse aus der Kinderbeteiligung wurden im Rahmen eines Bürgerworkshops vorgestellt. Sie, insbesondere die Ergebnisse der Verkehrsanalysen, fließen in die Planung mit ein. Zum Stand der Maßnahmen im Sanierungsgebiet Stuttgart 32 - Gaisburg erfahren Sie hier.

Gaisburger Hang in neuer Gestalt
Judith Guldin und Ulrike Kieninger, Jugendamt Stuttgart

„Die Teilnahme am Reallabor gab uns die Möglichkeit, innovative Ideen im Rahmen unserer alltäglichen Arbeit auszuprobieren. Konkret hieß das für uns, neue, ansprechende Methoden bei der Beteiligung von Kindern zur Gestaltung des öffentlichen Raums zu testen und auf ihre Praxistauglichkeit zu überprüfen. Dabei ist für uns deutlich geworden, dass die Übertragung des Reallabors in unseren Arbeitsalltag vor allem dann funktioniert, wenn einerseits die Freude und Begeisterung der Kinder für die Methoden da sind und andererseits eine praktische und unkomplizierte Handhabung möglich ist.“

Digitaler Zwilling der Stadt Herrenberg

Ein wichtiges digitales Werkzeug, das im Reallabor zum Einsatz kam, ist die Visualisierung. Für die Projektpartnerstadt Herrenberg wurde ein komplexes 3D-Modell, ein digitaler Zwilling, geschaffen, das multiskalar und auf mehreren Datenebenen in virtueller und erweiterter Realität für partizipative Prozesse angewendet werden kann.
Die Grundlage bildete ein 3D-Modell der Stadt, das durch Modellierung, 3D-Scans und stereoskopische 360° Videos ergänzt wurde. Darauf aufbauend wurden Layer aus Verkehrsdaten, wie motorisiertem Individualverkehr, Rad- und Fußgängerverkehr implementiert und visualisiert. Ergänzend wurden partiell interaktive Simulationen von Automobilverkehr und damit einhergehender Feinstaubentwicklung dargestellt.
Das Modell wurde mit Fokus auf Entscheidungsunterstützung konkreter Verkehrsplanungsvorhaben der Stadt Herrenberg adaptiert. Es wurden interaktive Modelle geschaffen, die es ermöglichen, komplexe Daten für ein breites Publikum in Virtual Reality Environments darzustellen und verständlich zu machen. Diese Einrichtungen bieten großes Potenzial für Beteiligungsverfahren, weil unterschiedliche Beteiligte mit differierenden professionellen Hintergründen zeitgleich informiert und Diskussionen angeregt werden können. So kann gemeinschaftlich an Lösungsansätzen gearbeitet werden.

05:45
Video-Transkription
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