FAQs

Ein Reallabor greift gesellschaftlich relevante Themen auf und bearbeitet sie auf eine transdisziplinäre Weise. Das heißt, ganz unterschiedliche Akteur:innen in der Wissensproduktion arbeiten gemeinsam an einem Forschungsprojekt. Reallaboren liegt auch immer ein transformativer Ansatz inne, das heißt ein Wandel, eine Transformation wird gedacht, entworfen, im Raum umgesetzt und die Wirkung im Raum wird dann tatsächlich auch evaluiert. Diese Evaluation fließt dann auch wieder in die Wissensproduktion mit ein. Wir haben bei unseren Reallaboren immer auch die Studierenden beteiligt, das heißt die Studierenden sind aktiv in den Forschungsprozess eingebunden, natürlich über ihre jeweiligen Lehrmodule. Wir nennen das Reasearch by Design, entwurfbasiertes Entwerfen, das bei uns in den planenden Disziplinen wirklich zum Repertoire des Forschens gehört.

Ja, ein Reallabor ist ein sehr spannendes neues, relativ neues Format, welches auf dem transdisziplinären und partizipativen Forschungsansatz beruht. In dem sowohl unterschiedliche Disziplinen aus der klassischen Forschung als auch Akteure aus der Zivilgesellschaft gemeinsam Dinge in Gang setzen, ausprobieren, testen und gleichzeitig beforschen. Das Reallabor steht, denke ich, auf einer langen Reihe oder auf den Schultern einer langen Reihe von Forschungsansätzen: action research, also Aktionsforschung, participatory action research und andere partizipatorische Ansätze. Und, meiner Meinung nach, ist das jetzt besonders spezielle an dieser Reallabor-Idee, dass es vor allem mit Realexperimenten arbeitet. 

Ein Reallabor ist ein raum- und zeitlich begrenztes Experimentierfeld. Das kann dann eine ganze Region sein, oder eine Stadt, oder auch ein Stadtquartier, oder eben auch einfach ein Gebäude. Es ist räumlich in gewissem Sinne frei skalierbar. Diese räumliche Skalierung hängt dann letztendlich natürlich auch mit dem Erkenntnisinteresse des Reallabors zusammen.

Das Format ist populär, weil es den Leuten, glaube ich, auch Spaß macht teilzuhaben und mitzuwirken. Das ist das eine. Aber es ist vor allem auch populär, weil es wirklich ein wunderbares Instrument ist, um den Perspektivwechsel herzustellen, der total nötig ist, um auch mal von der anderen Seite diese Dinge zu erleben, und vielleicht auch Ressentiments, oder Ängste, oder stereotype Meinungen aufzubrechen, und die Sicherheit zu geben, wenn es nicht klappt, dann können wir es ja auch wieder zurückbauen.

Ja, wenn wir gerade von technischen Dingen sprechen, dann schweben uns häufig die reinen technischen Lösungen vor. Aber wir wissen so häufig, dass Innovation und technische Lösungen nie die Realität erblicken. Und zwar liegt dies häufig daran, dass die Menschen sie nicht so einfach adaptieren können und der Umgang damit schwierig ist. Umso wichtiger ist, wenn wir Forschung betreiben wollen, wenn wir Dinge entwickeln wollen, wenn wir Innovationen auf den Weg bringen wollen, die tatsächlich das Leben der Menschen verändern können. Dass diese beteiligt werden, und zwar nicht erst am Ende, sie zu fragen, wie war das denn jetzt, sondern schon am Anfang, bei der Gestaltung, bei der Ausgestaltung, bei den Eigenschaften, die diese Technologie oder diese neue Innovation mitbringen soll. Das ist die Erkenntnis, aus der die Reallabore heute entsprungen sind und die, glaube ich, das Format so attraktiv macht. Und dass wir damit sehr viel erfolgsversprechender in die Umsetzung von wissenschaftlichen Neuheiten auch gehen können.

Wir blicken zurück auf Jahrzehnte der Forschung für nachhaltige Entwicklung. Es wurden in unterschiedlichsten Disziplinen oftmals Technologien, oder andere Organisationsformen, oder Anreize entwickelt, die sich aber nicht bewähren, wie erhofft, weil sie eben am grünen Tisch entwickelt wurden und sich nicht den lebensweltlichen Realitäten ausreichend gestellt haben. Und es ist auch klar, dass in den Universitäten nicht alle Perspektiven gleich gut abgebildet werden, dass es sinnvoll ist, die Kreativität aber auch die Einsicht in eben diese Handlungsrestriktionen der anderen Akteure mit einzubeziehen. Das macht es, meines Erachtens nach, attraktiv.

Eine große Herausforderung besteht darin, mit allen Beteiligten in einem Reallabor zu einer gemeinsam getragenen expliziten Problembeschreibung zu kommen. Das ist nicht trivial, weil die Art und Weise, wie wir ein Problem beschreiben, hat Einfluss auf das gesamte Projektdesign. Das war eine große Herausforderung in einem Reallabor. Wir müssen in Rechnung stellen, dass es verschiedene Standards und Methoden gibt, allein schon in den unterschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen, was als wissenschaftlich gilt, aber hinzu kommen jetzt die Erwartungen der Praxispartner. Und hier zu einer gemeinsamen Problemdefinition, zu einer gemeinsamen Problembeschreibung zu kommen, ist eine zentrale Herausforderung. Eine andere sehr große Herausforderung sehe ich in der generellen Projektförmigkeit eines Reallabors. Also, ein Projekt hat einen Anfang, für das man viel mehr Zeit benötigt als erwartet, und ein Ende. Und am Ende sind die Mitarbeiter:innen, meist junge Wissenschaftler:innen, weg oder in einem anderen Projekt. Ohne Fördermittel und ohne Ressourcen kann dann Vieles, was angestoßen wurde, nicht fortgeführt werden. Es kann nicht kontinuierlich weitergehen. Und da bleibt es leider nicht aus, dass Erwartungen enttäuscht werden, vor allem bei den Pionieren des Wandels. Reallabore sollten längerfristig sein.

In Reallaboren oder in unserem Reallabor waren wir speziell mit der Datenakquise als Herausforderung konfrontiert. Daten sind in Deutschland oder im deutschsprachigen Raum generell schwerer zugänglich als in anderen europäischen Ländern, oder z.B. in Skandinavien im Norden Europas. Und da ist es teilweise schwierig, zum Beispiel an Daten wie Verkehrsströme, Emissionen, Wetterdaten im Detail zu kommen. Eine zweite große Herausforderung war, dass die städtischen Verwaltungen gerade in kleineren und mittleren Städten chronisch unterbesetzt sind. Dass sie nicht genug Ressourcen haben, um diesen großen Arbeitsaufwand in Reallaboren oder in der Forschung, wenn sie sich an der Forschung beteiligen, zu bewältigen. 

Ja, wahrscheinlich mit den gleichen Herausforderungen wie alle, die sich mit Stadtplanung, Stadtgestaltung, Neubau, Umbau beschäftigen. Mit Genehmigungen. Wir leben in einer Gesellschaft, die sehr stark vom Sicherheitsgedanken her geprägt ist. Das heißt, alles, was auch nur versuchsweise angelegt wird, muss so sicher sein, dass nichts passiert, dass keine Schadensfälle sind und, und, und. Das schränkt natürlich wahnsinnig ein. Die Baurechtsgenehmigungen, die Voraussetzung, um Dinge ausprobieren zu können, sind manchmal sehr aufwendig. Und wenn so ein Genehmigungsverfahren ein halbes Jahr dauert, dann geht natürlich auch schon dem einen oder anderen die Lust an der ganzen Sache verloren. Das sind die Probleme, die wir dann bei der Umsetzung haben, dass wir die Leute bei der Stange halten müssen. Dass wir mit den Ämtern intensiv verhandeln müssen. Wie kriegen wir es doch hin, obwohl es eigentlich baurechtlich oder verkehrsrechtlich eher ungewöhnlich, nicht nicht genehmigungsfähig ist, sondern eher ungewöhnlich ist? Das sind so die Mühen des Alltags. 

Geduld, Offenheit, Mut zum Experiment, hohe Frustrationstoleranz, also ganz viele Kriterien, die erst an den weichen Faktoren angesiedelt sind. Man muss, glaube ich, offen sein, man muss kommunikativ sein, man muss Freude haben, sozusagen Dinge immer wieder auch zu diskutieren und sie nochmal zu erläutern. Man muss offen sein für die Sprache der Anderen. Ganz allgemein, man darf nicht so sehr in seiner Fachdisziplin hängen. Ich glaube, auch der interdisziplinäre Part in einem Reallabor, also wenn sich unterschiedliche Disziplinen im Reallabor zusammentun und dann noch mit kommunalen Partnern aus der Verwaltung oder aus der Bürgerschaft zu tun haben, dann müssen sich alle, so ein bisschen flapsig formuliert, am Riemen reißen, was die Sprache betrifft. Um da eine gleiche Ebene zu finden, ist die Voraussetzung, diese Augenhöhe ist die Voraussetzung eigentlich für gelingende Reallabore.

Als erste Kompetenz würde ich denken, man muss echt Menschen mögen. Man muss damit zurechtkommen, dass Menschen unterschiedlich sind. Dass sie verschiedene Arten und Weisen haben, zu denken und zu handeln. Man muss, glaube ich, eine hohe Frustrationstoleranz haben. Aber immer bereit sein, auch einfach wieder von vorne anzufangen, wenn es nix war.

Kompetenzen, die in einem Reallabor wichtig sind, sind aus meiner Sicht, Kommunikationsfähigkeit, aber natürlich auch Organisationstalent. Auch ganz, ganz wichtig für Wissenschaftler:innen ist die Fähigkeit, wissenschaftliches Wissen, wissenschaftliche Herangehensweisen, wissenschaftliche Erkenntnisse so zu übersetzen, dass man damit auch letztendlich realweltliche Problemlösungen und Strategien erarbeiten kann. Das ist aus meiner Sicht die wichtigste Kompetenz, die man als Wissenschaftler oder Wissenschaftlerin hier mitbringen muss.

Ich war im "Reallabor für nachhaltige Mobilitätskultur" in Stuttgart einerseits einer derer, die in einem Experiment über das freie Lastenrad-Projekt Stuttgart mitgewirkt haben. Andererseits war ich, glaube ich, aber mehr interessiert und mehr involviert noch, weil ich eben selber in den letzten dreißig Jahren partizipative Forschung und Aktionsforschung betrieben habe. Ich habe miterlebt, was da für Diskurse laufen wie es auch im Rest der Forschungslandschaft, wie man da miteinander darüber nachdenkt. Und da hätte ich sehr gerne mehr Gelegenheit gehabt, mehr davon einzubringen, was leider nur teilweise möglich war. Weil mein Gefühl war, in diesen auch in anderen Reallaboren waren sehr große Überlastungssituationen, aufrund, würde ich sagen, nicht ganz passender Forschungsbeantragung, also zu wenig Ressourcen, zu wenig Zeit, vor allem zu wenig Ressourcen für die Zivilgesellschaft. Das war schade. Nichtsdestotrotz wars ein sehr sehr spannender Lernprozess für alle, auch wenn da jetzt nicht jeder Schatz gehoben werden konnte, den man hätte heben können, meiner Meinung nach.

Ich hatte das Glück, bei einem Reallabor mitwirken zu können, sowohl gedanklich als auch dann später im Hintergrund, quasi in der Mithilfe, was die Genehmigung und die Förderung von diesem Projekt angeht, mit dem Bezirksbeirat Mitte, dessen Vorsitzende ich ja bin.  Un bei dieser Gelegenheit hatte ich eben auch die Möglichkeit für ein Reallabor zu begeistern, für dieses Format, für diese Herangehensweise des gemeinsamen Gestaltens und auch des gemeinsamen Veränderns im Tun, und nicht nur in der theoretischen Auseinandersetzung, sondern im tatsächlichen Tun. Das habe ich als sehr, sehr gewinnbringend und wertvoll empfunden.

Ich hatte insgesamt mindestens vier Rollen inne. Zum einen die Rolle als Wissenschaftler, zum anderen die Rolle als Universitätsmitarbeiter. Eine weitere Rolle war das Teammitglied im "Reallabor Schorndorf". Und die vierte Rolle ist auch noch die der Privatperson. Meistens konnten diese Rollenverständnisse in Einklang gebracht werden. Es gab aber auch sehr viele Fälle, wo es nicht möglich war, wo einfach ein Dilemma draus entsteht, dass unterschiedliche Interessen nicht miteinander vereinbar waren Beispielsweise muss ich gucken, dass die Universität Stuttgart in der Außenkommunikation nicht zu kurz kommt, das heißt, ich muss die Rolle als Universitätsmitarbeiter vertreten und nach außen hin waren. Das divergiert aber manchmal mit dem Rollenverständnis des Teams, weil es einfach unterschiedliche Kompetenzbereiche gibt. Oder manchmal waren, ganz banal, Arbeiten am Abend oder am Wochenende erforderlich, wo es einfach mit dem Rollenverständnis als Privatperson auseinandergeht. Oder habe ich manchmal auch ethisch oder moralische, oder sonstige Sichtweisen als Privatperson, die ich vielleicht  im Zuge des Projektes wohl nicht miteinhergehen. Aber meistens konnten diese Rollenverständnisse in Einklang gebracht werden.

Ja, auf gewisse Weise machen wir ja alle gerade gemeinsam eines der größten Realexperimente, die man machen kann. Wir probieren aus, ob auf einem begrenzten Planeten mit begrenzten Ressourcen möglicherweise unbegrenztes Wachstum möglich ist. Aber im Kleinen gesehen ist es vielleicht dasselbe, wir müssen einfach ausprobieren was möglich ist, in Zeiten wie diesen, in denen es wirklich wenig klare Antworten gibt

Bei einem Realexperiment werden die im sogenannten Co-Design gemeinsam entwickelten kreativen Lösungen für das betreffende Problem am Ort des Reallabors ausprobiert bzw. der Versuch unternommen, zusammen neues Wissen zu generieren, um die Problembehandlung besser zu ermöglichen. Man nennt das auch Co-Kreation.

Ein Realexperiment ist eine temporäre Intervention im realen lebensweltlichen Umfeld. Ein Realexperiment bietet die Möglichkeit, etwas auszuprobieren und darüber zu lernen. Wir lernen vor allem durch Realexperimente z.B. im städtischen Raum etwas über gesellschaftliche Dynamiken und Prozesse. Also nicht nur die technische Umsetzung eines Realexperiments ist entscheidend, sondern vor allem die Beforschung dessen, wie Menschen auf Realexperimente reagieren, wie sie involviert sind, und was sich daraus für gesellschaftlich dringend notwenige Transformationsprozesse lernen kann. Im Unterschied zu einem klassischen Experiment im Labor ist ein Realexperiment in der konkreten realen Lebenswelt angesiedelt. Diese ist hochkomplex. Sie ist mehrdeutig und oft widersprüchlich. Darauf muss sich ein Realexperiment einstellen.

Man klärt sehr früh die Rollen und das Veränderungsziel. Man kommuniziert angemessen, transparent, aber auch öffentlichkeitswirksam. Man greift die Probleme oder die nicht gedeckten Bedürfnisse im Setting, in dem das Realexperiment stattfindet, auf, so dass es einen leichten Zugang zu diesem Experiment gibt. Das Realexperiment ist ortsbezogen, also möglichst gut am Ort, im Ort und in seinen Bedingungen verankert. Und es wird sehr gut dokumentiert, so dass man danach auch wirklich die entsprechenden Lernergebnisse und Resultate erzielen kann. Das ist gar nicht so einfach.

Um ein Realexperiment auf die Straße zu bringen, wirklich umzusetzen, brauche ich eine förderliches Miteinander in der Zusammenarbeit. Das heißt, die verschiedenen Partner, die Ideengeber aber auch eine Stadtverwaltung, die das Projekt begleitet und dann auch genehmigt und auch mit der Kritik mitunter tangiert ist, die müssen zusammen eine Idee entwickeln, was wir wirklich draußen realisieren können und wie die Rollen verteilt sind? Wer ist für was zuständig? Was machen wir, wenn das Realexperiment zu Ende ist? Wer baut das zum Beispiel wieder ab? Und diese sehr klare Projektstruktur, die ist ein ganz wichtiges Grundgerüst. Das Andere ist, wie gehen wir miteinander um. Dass ich als Bürger oder Bürgerin tatsächlich auch Aspekte, die mir von einer Stadtverwaltung genannt werden, nicht abtue, sondern dass ich auch bereit bin, anzunehmen: Warum wollen die das von mir? Was ist meine Verantwortung in dem Spiel? Von meinen Leuten, von uns als Stadtverwaltung, erwarte ich die Bereitschaft, sich darauf einzulassen. Das funktioniert vor allem dann gut, wenn ich auch den politischen Rückhalt habe, und wenn ich natürlich Ressourcen habe, die mir ein mehr oder weniger entspanntes, wohlwollendes Arbeiten ermöglichen. Insgesamt würde ich sagen, man braucht eine förderliche Projektkulisse.   

Es muss auf jeden Fall einen Experimentierrahmen geben. Mit der Kommune (oder überhaupt ordnungsrechtlich) wird eine sogenannte Experimentierklausel festgelegt, so dass ich mit dem Realexperiment wirklich auch einen Eingriff in die Stadtentwicklung, in die reale Welt quasi machen kann und dort auch Veränderungen anstoßen darf, die ich normalerweise nicht machen dürfte, rechtlich gesehen. Das heißt, die Stadtverwaltung, die Politik müssen das Ganze überhaupt auch erst mal mittragen. Der politische Rückhalt und der Rückhalt der Stadtverwaltung, ohne den geht es nicht. Das habe ich gemerkt, in anderen Reallaboren waren die Abstimmungen sehr zäh. Sie haben die Arbeiten in manchen Reallaboren verzögert oder teilweise auch blockiert. Das war in unserem Fall im Realalabor Schorndorf, Gott sei Dank, überhaupt nicht der Fall. Wir hatten da maximale Rückendeckung.

Eine andere räumliche Umwelt wird damit unmittelbar erlebbar. Das heißt, alle Akteur:innen machen Raumerfahrungen, teilweise auch ganz neue, unerwartete Raumerfahrungen. Sie erleben einen Raum mit all ihren Sinnen und nehmen das auf. Das trägt dazu bei, dass sich das Wissen erweitert, dass diese Raumerfahrungen auch eine Beurteilung z.B. von Planungen, die einem später vorgelegt werden, auch ganz anders möglich machen. Das Provisorische, das heißt das Temporäre, erlaubt zudem einen Spielraum, der dauerhaft vielleicht so noch oder überhaupt nicht möglich wäre. Durch das Provisorische können Dinge ausgetestet werden, experimentiert werden, wie es das Wort "Reallabor" schon so schön sagt. Es eröffnet damit eine große Offenheit aller Akteur:nnen, da es sich erstmal nur um einen kleinen Zeitpunkt oder eine bestimmte Zeitspanne handelt. Durch das aktive Tun werden aus den passiven Konsumierenden, als die sich BürgerInnen oftmals fühlen, wieder aktiv gestaltende, die wirklich an der Stadtentwicklung beteiligt sind.

Die Realexperimente sollen, meines Erachtens nach, das Ziel verfolgen, das Denken outside the box zu fördern und es gleichzeitig zu belegen. Ich glaube, Experimente auf dem Papier sind nicht so sehr überzeugend, sondern Experimente, die ich tatsächlich mache, in dem ich - ich nehme das Beispiel Schulbau - Räumlichkeiten mit einer anderen Didaktik benutze, oder ich Räumlichkeiten anders möbliere, um meine Lehrdidaktik weiterzuentwickeln. Oder ich definiere z.B. Räume in der Stadt als Lernraum und bringe die mit in ein Curriculum einer Schule ein. Das schafft Möglichkeiten, die ich vorher nicht kannte. Das learning by doing sozusagen ist, glaube ich, nochmal wesentlich intensivere Erfahrung für alle Beteiligten nicht nur für diejenigen, die auf der wissenschaftlichen Seite stehen, sondern auch für diejenigen, die sofort Response geben können. Also sagen können: "Mensch, das hat gut geklappt" oder "Hm, war eher schwierig". Ich glaube, das ist eine Unmittelbarkeit, die Realexperimente erzeugen können. Sie könnten im Transformationsprozess, in dem wir in ganz unterschiedlichen Bereichen stecken, eine durchaus hohe Dynamik erzeugen.

Also, schön wäre, wenn die Wirkung erzielt werden könnte, dass etwas, was von vielen verschiedenen Akteuren gemeinsam entwickelt, umgesetzt und erlebt worden ist, dass diese Ergebnisse dann tatsächlich auch von allen gemeinsam getragen werden. Denn aus meiner Sicht hat Wissenschaft ja unter anderem ein Problem, dass sie seit vielen Jahrzehnten - ich denke an 1972, den Club of Rome und die Grenzen des Wachstums - uns sagt, was richtig ist. Aber wir tun es nicht. Und für mich sind Realexperimente, die, die ich erlebt habe, eine großartige Möglichkeit überhaupt mal etwas zu erleben, was anders ist, sich zu wagen auf Gebiete, auf denen wir alle noch nicht gewesen sind. Das fand ich ein wirklich schönes Erlebnis.

Aus meiner Sicht haben Reallabore Zukunft in zweierlei Hinsicht. Das eine ist, bei den unterschiedlichen Standpunkten, die wir heute bei vielen Fragen vorfinden - Denken Sie an Verkehr, an Mobilität, an Klima, an soziales Miteinander - bietet dieses Format der Reallabore eine gute Möglichkeit, um Neues auszuprobieren und um miteinander zu arbeiten: Forschung, Zivilgesellschaft, Stadtverwaltung, Entscheider. Von daher haben die Reallabore eigentlich eine hervorragende Zukunft, um sich diesen Fragestellungen zu nähern mit einer Fehlertoleranz, mit einer visionären Art und trotzdem in die Praxis zu gehen. Und ganz praktisch in der Stadt Stuttgart haben die Reallabore längst Einzug gehalten, in das alltägliche Handeln und in unsere alltägliche Verkehrs- und Mobilitätspolitik. Wir genehmigen heute andere Projekte, die wir vor den Reallaboren gar nicht genehmigt hätten. Diese Art des Entscheidens, des Dialogs, trägt sich jetzt einfach durch die Verwaltung weiter durch.

Welche Erwartungen hat man an die Zukunft? Also, natürlich sind Reallabore momentan enorm hip. Fast alle Forschungsprojekte, die über meinen Tisch gehen, agieren mit Reallaboren. Man hat den Eindruck, wenn nicht Reallabor drinsteht, dann wird’s gar nicht erst gefördert. So ein bisschen ein Überschwang, und ich bin da eher ein Freund von Kontinuität. Ich glaube, es wird wichtig, um an die kniffligen juristischen Fragen heranzukommen, um Dinge zu ändern. Ein Beispiel von gestern Abend aus den Tagesthemen: Da ging es um einen Baum in Berlin, eine Eiche, die einem Neubau weichen muss, weil diese Eiche als Baum nicht abstandsflächenrelevant ist. Um das zu ändern, müssten wir in das Baugesetzbuch rein gehen. Natürlich könnte man sagen, wir machen ein Realexperiment, wenn der Bauherr oder die Bauherrin dazu bereit ist, hier ein Haus zu bauen, dass anders funktioniert, anders gestaltet ist und diesen Baum ja, irgendwie einbindet. Dann könnte man vieles schneller erledigen. Ich glaube, diese Realexperimente sind wichtig, weil die Ausrede „Das geht doch nicht!“ dann hoffentlich widerlegt werden kann.  

Nun, ich glaube, Reallabore sind momentan noch eine gewissermaßen Sonderform der Forschung. Wir kennen ja auch andere Dinge, die eng damit zusammen hängen, z.B. civil science, wo z.B. beim Vögelzählen die gesamte Bevölkerung mit dabei ist. Diese Sonderformen sollten in der Zukunft eigentlich in ein normales Forschungsformat überführt werden. Das heißt, dass wir dort, wo wir stark umsatzorientier arbeiten wollen, wo Dinge tatsächlich passieren sollen, Technologien, Innovationen, neue Ideen raumgreifend Platz finden sollen, dass für solche Projekte diese Beteiligung der Menschen/der Stakeholder, wie sie immer heißen, dann zum Normalfall wird. Ich glaube, die Lektion, die wir lernen müssen, ist: Technik allein hilft nur begrenzt, es sind meistens die Menschen, die die Umsetzung und den sinnvollen Einsatz der Technologie eben erst möglich machen.