Retrospektive

Mit Retrospektiven lassen sich gezielte Reflexionen über die Zusammenarbeit anleiten. Hierfür gibt es unterschiedliche Methoden.

Was sind Retrospektiven?

Die Retrospektive ist eine Methode, die zu einer strukturierten Reflexion verhilft. Sie kann bereits in Form einer Selbst-Reflexion angewendet werden, das heißt, die eigenen Verhaltens- oder Arbeitsweisen werden hinterfragt. Die gängigste Anwendung ist aber als Reflexion über die Teamarbeit. Durch gezielte Fragestellungen werden Stärken oder etwa Reibungspunkte hervorgehoben und Maßnahmen zur Verbesserung angeleitet. Ziel ist es, aus der vergangenen Zusammenarbeit zu lernen und dabei die zukünftige zu optimieren. Mit regelmäßigen Retrospektiven lässt sich die Kommunikation im Team strukturiert verbessern.

 

Ablauf einer Retrospektive

Der Richtwert für den Ablauf einer Retrospektive beträgt 90 Minuten und es empfiehlt sich alle ein bis zwei Monate eine Retro im Team durchzuführen. In der Regel umfasst sie vier Schritte: 

1. Rahmen definieren

Damit eine ehrliche Reflexion stattfinden kann, sollte zunächst eine offene und vertrauensvolle Atmosphäre geschaffen werden. Hierfür können kurze Check-Ins genutzt werden, die den Einstieg erleichtern. Im ersten Schritt sollte auch der Kontext, also der Grund für diese Retrospektive, geklärt werden. 

Hilfreich ist es zudem eine Vertrauensvereinbarung einzusetzen, das heißt, dass alles Besprochene vertraulich behandelt wird. Wichtig ist es dabei stets davon auszugehen, dass jedes Teammitglied sein Bestes gegeben hat und von Schuldzuweisungen abgesehen wird, damit aus dem gemeinschaftlichen Handeln gelernt werden kann.

2. Daten sammeln

Im nächsten Schritt werden nun die Ideen und Erfahrungen der Teammitglieder gesammelt, um ein gemeinsames Verständnis der Herausforderungen und Erfolge zu entwickeln. Folgende Methoden können dabei helfen:

  • Heißluftballon-Retro🔝: 

Mit dieser Methode kann sich das Team aus der Vogelperspektive betrachten und dadurch neue Erkenntnisse gewinnen. Ein Heißluftballon wird für alle sichtbar visualisiert. Zusätzlich werden Ziele des Teams formuliert, die mithilfe von Wolken bildlich dargestellt werden können. In der Reflexion werden diese Fragen beantwortet: 

    • Was hält uns unten?
    • Wo müssen wir mehr Einsatz zeigen?
    • Was lässt uns steigen?
  • Sailboat-Retrospective⛵:

Das Team stellt sich vor, es sitzt auf einem Boot und möchte auf eine Insel, also ein gemeinsames Ziel steuern. Dabei gibt es verschiedene Faktoren, die die Fahrt beziehungsweise die Zusammenarbeit beeinflussen:

    • Boot: Was haben wir bereits als Team gelernt?
    • Wind: Was bringt uns voran? Welche Tools, Verhaltensweisen haben uns weitergebracht?
    • Anker: Was bremst uns in der täglichen Zusammenarbeit aus?
    • Sonne: Was motiviert uns?
    • Eisberg: Welche potenziellen Risiken könnten uns in Zukunft ausbremsen?

 

Vorteil 🔎: Dadurch, dass die Methoden Heißluftballon und Sailboot besonders anschaulich ist, ist ein niederschwelliger Einstieg möglich und es können viele Erkenntnisse gewonnen werden.

  • Start-Stop-Continue-Methode:

Eine der bekanntesten Methoden. Besonders hilfreich ist sie, um Handlungsanweisungen abzuleiten. 

    • Start: Womit möchten wir anfangen?
    • Stop: Was lassen wir zukünftig sein?
    • 🆗Continue: Was klappt gut? Was behalten wir bei?
  • Seestern-Methode ⭐:

Eine Erweiterung der Start-Stop-Continue-Methode. In einer Stern-Anordnung werden folgende Fragen auf einem Blatt oder einer Folie notiert: 

    • Start: Womit möchten wir anfangen? Was möchten wir anders machen?
    • Stop: Was lassen wir zukünftig sein?
    • Continue: Was klappt gut? Was behalten wir bei?
    • More of: Was wollen wir häufiger tun?
    • Less of: Was wollen wir reduzieren? 

 

3. Erkenntnisse erzeugen

Die gesammelten Informationen werden erst priorisiert und im nächsten Schritt analysiert, um die wichtigsten Themen und Schmerzpunkte zu identifizieren. Hierbei geht es darum, die Ursachen für Probleme zu verstehen, bevor Lösungen diskutiert werden. Auch in diesem Schritt lassen sich unterschiedliche Methoden anwenden: 

  • Fünf-Finger-Retro 🤚 :

Diese Retro kann in Form eines Einzel- oder Teamfeedbacks eingesetzt werden. Da hierbei sowohl positives als auch negatives Feedback gegeben wird, ist sie vor allem für Teams geeignet, die konstruktiv mit Kritik umgehen können. Das bedeutet zudem, dass hier Rechtfertigungen oder Anschuldigungen fehl am Platz sind. Für die Verbesserung im Team werden folgende Punkte betrachtet, die angefangen mit dem Daumen an einer Hand visualisiert werden können: 

    • Top: Stärken, Erfolge, Positives, ...
    • Achtung: Risiken, Gefahren, Stolpersteine, ...
    • F*ck-ups: Fehler, Misserfolge, ...
    • Beziehungsebene: Wertschätzung, Art der Zusammenarbeit, Nähe, ...
    • Zu kurz gekommen: Was ist aus dem Fokus geraten?

Zu jedem Punkt werden entweder erst in Kleingruppen oder direkt im Plenum konkrete Beispiele gesammelt. Danach kann von jedem Teammitglied ein Fazit gezogen werden, in dem individuelle Wünsche ans Team gerichtet und eigene Vorhaben formuliert werden. 

  • SWOT-Retro: 

Die SWOT-Analyse lässt sich auch in einer Retrospektive einsetzen. Sie eignet sich dafür, Stärken und Potenziale eines Teams hervorzuheben. In Kleingruppen mit drei bis fünf Teilnehmenden werden die folgenden Punkte für das Team gesammelt:

 Strengh: Stärken

 Weakness: Schwächen

 Opportunity: Chancen

 Threat: Risiken

Wichtig dabei ist es, mehr Stärken als Schwächen zu identifizieren. Im nächsten Schritt werden die Ergebnisse im Team präsentiert und auf deren Basis folgende Fragen beantwortet, die im Buch "Agile Methoden" aufgeführt sind: 

    • Was funktioniert bereits gut? Auf welche Stärken sind alle stolz? Worauf kann sich das Team verlassen? 
    • Welche Chancen resultieren aus den Schwächen?
    • Welche Stärken helfen dem Team für die Bewältigung der genannten Gefahren?
    • Was möchte das Team aktiv optimieren?...

Mithilfe der Antworten lassen sich konkrete Handlungsmaßnahmen ableiten, die im nächsten Schritt gebraucht werden. 

 

4. Maßnahmen festglegen

Im letzten Schritt werden konkrete Maßnahmen zur Verbesserung definiert und Verantwortlichkeiten festgelegt. Wichtig ist, dass sie so konkret wie möglich formuliert werden und realistisch bleiben. Hierbei sollten unbedingt auch kleine Maßnahmen berücksichtigt werden, da sie sich summieren können und somit zu signifikanten Veränderungen beitragen.

Für jede Maßnahme sollten folgende Kriterien festgelegt werden: 

    • Was soll konkret umgesetzt werden?
    • Wer ist für die Umsetzung verantwortlich?
    • Wann soll die Maßnahme erfolgen?
    • Welche Ressourcen werden hierfür benötigt? 

Damit in der nächsten Retrospektive die Wirksamkeit der Maßnahmen überprüft werden kann, müssen im Voraus Erfolgskriterien festgelegt werden. Hierbei wird diese Frage beantwortet: Wie und woran messen wir den Fortschritt? Gegebenfalls werden die Maßnahmen im Rahmen der nächsten Retrospektive überarbeitet oder an neue Herausforderungen angepasst. 

Im Rahmen unseres Lunch & Learn Formats, gaben und Timm Schelte und Oliver Vollrath von der VEND Consulting GmbH folgende Tipps: 

💡 Tipp 1 : Nach erfolgten Retros im Team können Mini-Retros eingebaut werden, um den Ablauf der Reflexionen zu optimieren. Folgende Fragen können dabei helfen: Was lief an der Reflexion gut, was weniger? Was waren unsere Aha-Momente im Team durch die Reflexion? Wurde die Reflexion passend angeleitet? 

💡 Tipp 2 : Zudem kann es hilfreich sein, auf externe Moderator*innen zurückzugreifen, sodass diese bei hitzigen Diskussionen oder Kommunikationsproblemen gezielter eingreifen können. Gerne können wir im Agility Lab diese Funktion für eure nächste Retro übernehmen. Kontaktiert uns, wir freuen uns auf euch!

 

Fazit

Ein klarer Vorteil der Methode ist es, dass sie ohne spezielle Tools oder Vorwissen durchgeführt werden kann. Durch regelmäßige Retrospektiven wird die Reflexion über die Teamzusammenarbeit zur Routine und dadurch kann die Kommunikation verbessert werden. Zudem wird eine Kultur des kontinuierlichen Lernens gefördert, die nicht nur die Teamleistung steigert, sondern auch die Zufriedenheit der Mitarbeitenden erhöht.

➡️ Bereits mit kurzen Retrospektiven lässt sich eine große Wirkung erzielen.

 

Quellen und weiteres zum Thema 📚:

Claudia Thonet, Marc Schmetkamp (2022): Agile Meetings und Workshops. Ein Arbeitsbuch.

Weitere Methoden für die Datensammlung werden unter Zehn Retrospektive Formen mit Beispielen und Ideen | Agile Scrum Group aufgeführt

Zum Nachbericht unseres Lunch & Learn "Lernkultur gestalten mit Retrospektiven"

Zum Nachbericht unseres Lunch & Learn "Reflexion in agilen Teams

 

Text: Karolina Laksa

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