Soziokratie

Agiler Werkzeugkoffer

Trefft im Team tragbare Entscheidungen mit dem Konsent-Verfahren.

Was ist Soziokratie?

Soziokratie bietet eine interessante „Herrschaftsform“ und einen Entscheidungsrahmen für selbstorganisierte Teams, Gruppen ohne Leitung oder Projekte mit verschiedenen Betroffenen. Sie bringt mit sich, dass Beschlüsse gemeinschaftlich, in Übereinstimmung, getroffen werden.

Wie die bekannten Begriffe „Demokratie“ oder „Hierarchie“ kommt das Wort für „Soziokratie“ aus dem Griechischen. Es bedeutet „Herrschaft der Freunde“. Darin wird schon ein Unterschied deutlich:

Demokratie

Demokratie, die Volksherrschaft, bedeutet, dass eine sehr große Gruppe Entscheidungen trifft. Diese handelt das Volk nach allgemeinem Verständnis in Wahlen aus. Die meisten Wahlrechte sehen dabei Mehrheitsentscheidungen vor. Minderheitsmeinungen, auch wenn sie berechtigte und gewichtige Argumente haben, werden überstimmt.

Hierarchie

Hierarchie, die unterordnende Herrschaft (wörtlich: „heilige Ordnung“), bedeutet, dass es einzelne Personen gibt, die die Entscheidungen treffen. Auch wenn die gesamte untergeordnete Gruppe anderer Meinung ist, gilt der Entschluss des bzw. der Vorsitzenden.

Es hat gute Gründe, warum in großen Systemen Demokratie und Hierarchie gelten. Sie sorgen für Ordnung und Handlungsfähigkeit. Alle Menschen hinter einer Idee zu versammeln, wird nie gelingen. Dafür sind Interessen zu unterschiedlich. Allerdings müssen in großen Gruppen auch gar nicht alle dieselbe Idee verfolgen.

Anders ist es in Teams. Sie unterscheiden sich von anderen Gruppen dadurch, dass sie zusammen arbeiten und auf ein gemeinsames Ziel ausgerichtet sind. Es ist für das Teamgefüge enorm wichtig, dass alle in dieselbe Richtung arbeiten. Ziele und Richtung sollte auch jede einzelne Person mittragen. Darum ist das Aushandeln von Entscheidungen wichtig.

Entscheidungen mit Konsent

Konsens bezeichnet eine vollständige Übereinstimmung im Blick auf eine Idee oder Vorstellung. Dabei gibt es keine Abweichungen. In der Soziokratie kommt das Konzept des „Konsent“ (mit „t“) zum Einsatz. Nicht alle müssen hier gleicher Meinung sein, aber sie tragen eine Entscheidung, Idee oder Vorstellung mit, weil sie berücksichtigt wurden.

  1. Um Konsent zu erreichen, müssen alle Betroffenen beteiligt werden.
  2. Sie haben als gemeinsame Annahme, dass sie handeln wollen. Das ist eine Voraussetzung.

Mit einer Idee (die ihr zum Beispiel mit Liberating Structures entwickeln könnt) dürfen sich alle Beteiligten auseinandersetzen. Wichtig wird nun, wer dagegen Bedenken hat oder sogar Einwände.

  • Bedenken lassen sich berücksichtigen und in die Idee einarbeiten.
  • Ein Einwand bedeutet, dass sich die Idee so nicht umsetzen lässt – eine neue Idee muss her, der Prozess beginnt von vorne.

Im ganzen Verfahren gilt: „Niemand kann überstimmt werden.

Ein Beispiel

Beispielsweise will ein Team eine Weihnachtsfeier organisieren. Das ist ein klassisches Konsent-Verfahren. Angenommen, der Vorschlag lautet: Besuch auf dem Weihnachtsmarkt.

  • Eva, die Teamleiterin, hat Bedenken, denn die Weihnachtsfeier darf nicht zur Arbeitszeit stattfinden. Also schlägt jemand vor, früher Feierabend zu machen und um 15:30 Uhr zu starten. Die Bedenken sind ausgeräumt.
  • Wolfgang fürchtet sich vor großen Menschenansammlungen. Also kommt der Vorschlag, dass man nicht auf den großen Weihnachtsmarkt geht, sondern einen kleineren besucht. 
Zwei Hände halten einen Stapel runder Plätzchen in die Kamera.
  • Mariella hat kleine Kinder und findet für den Abend keine Betreuung, weswegen sie die Kinder mit zum Weihnachtsmarkt nehmen wird.
  • Thomas kann Weihnachtsmärkte grundsätzlich nicht leiden. Er hat aber auch keine alternative Idee. Weil ihm das gemeinsame Ziel, mit dem Team Zeit zu verbringen, aber wichtiger ist als seine Grundsätze, trägt er die Idee mit und trinkt dann am Glühweintisch seine mitgebrachte Spezi.
  • Waltraut ist schlecht zu Fuß. Der ausgesuchte Weihnachtsmarkt ist nicht barrierefrei erreichbar. Die Idee scheitert also, weil Waltraut natürlich dabei sein soll. Das Team beschließt, einfach im Büro ein bisschen zu feiern und Plätzchen und Heißgetränke selbst mitzubringen.

Konsent-Schnell-Abstimmung

Für eine schnelle Entscheidungsfindung zu einzelnen Vorschlägen und Ideen bietet es sich in Präsenz-Besprechungen wie auch bei Videogesprächen an, per Handzeichen abzustimmen.

  1. Daumen hoch: Ich finde die Idee super.
  2. Handfläche nach oben: Ich kann die Idee (so) mittragen.
  3. Daumen nach unten: Ich habe große Bedenken oder Einwände.

Zeigt niemand den Daumen nach unten, hat sich die Gruppe für den Vorschlag ausgesprochen. Ist ein Daumen nach unten dabei, muss die Person ihre Bedenken bzw. Einwände äußern. Die Person darf nicht überstimmt werden.

Wichtig ist dabei:

  • Es gilt stets das gemeinsame Interesse, handeln zu wollen. Wer ein Ziel aus Prinzip ablehnt und deswegen immer Einwände gegen Einzelideen einbringt, muss seine zugrundeliegenden Beweggründe den anderen offenlegen.
  • Beim Abstimmen sollte darauf geachtet werden, dass auch alle tatsächlich abstimmen können. Ansonsten muss eine andere dreistufige Abstimmungsmethode gewählt werden.

Text: Ulrich Fries

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