Was bedeutet Design Thinking?
Das Framework eignet sich, um kreative und möglichst realitätsnahe Lösungsansätze für ein Problem zu entwickeln. Ziel ist es innovative Produkte, Prozesse oder Dienstleistungen fertigzustellen.
Eine Besonderheit dieses Ansatzes besteht im ständigen Kontakt zur Kundschaft. Diese soll mit dem Endprodukt möglichst zufrieden sein und dafür müssen deren Bedürfnisse und Erwartungen abgedeckt werden. Um das zu ermöglichen, basiert die Lösungsentwicklung auf konkreten Beobachtungen der tatsächlichen Nutzung der Endprodukte.
Design Thinking eignet sich vor allem für die Findung von innovativen Ideen. Besteht bereits eine konkrete, umsetzungsfähige Lösung für ein Problem, ist der Ansatz weniger sinnvoll. Er kann aber durchaus bei der Überarbeitung konkreter Ideen durch das Einnehmen von unterschiedlichen Perspektiven hilfreich sein.
Design Thinking baut auf drei Faktoren auf
a) People 👥
- Zentral ist ein enger Kontakt mit den End-Nutzenden. Aber auch das Team selbst wird hier zum Thema. Es sollte möglichst heterogen aufgebaut werden, damit aus verschiedenen Blickwinkeln und Bereichen gearbeitet werden kann. Konkret bedeutet das eine Mischung aus erfahrenen, neuen Mitarbeitenden und externen oder fachfremden Mitgliedern wie beispielsweise Studierenden. Dadurch können neue Perspektiven und Ideen gewonnen werden, denn Erfahrung bedeutet nicht gleich bessere Lösungsansätze.
- Für eine produktive Zusammenarbeit ist vor allem Empathie wichtig. Zum einen kann sich dadurch besser in die Kundschaft hineinversetz werden. Zum anderen treffen bei der Ideenfindung unterschiedliche -auch gegensätzliche- Meinungen aufeinander, die gleichermaßen betrachtet werden sollten.
b) Process 🔄
- Zunächst wird ein Problemraum aufgespannt, hierbei soll das Problem in all seinen Aspekten beschrieben werden. Dafür müssen möglichst viele Informationen und Beobachtungen eingeholt werden.
- Im nächsten Schritt folgt die Ideensammlung, die zum Lösungsraum beisteuert.
c) Places 💻
- Ein flexibler Arbeitsraum ist von Vorteil, damit er immer wieder an den Prozess angepasst werden kann. Hilfreich ist es zudem, wenn alle Infos für alle Teammitglieder zu jeder Zeit sichtbar sind, hierfür eignen sich Whiteboards, Plakate, etc. Auf diese Weise wird kein Aspekt vergessen oder übersehen.
- Für die Betrachtung der konkreten Nutzung ist es auch nötig den 'Teamraum' zu verlassen und sich bei der Kundschaft vor Ort ein Bild zu machen. Beispiel: Wird an einem Produkt für Lehrkräfte gearbeitet, sollte das Team den Arbeitsalltag an der Schule durchleben. Bei der Anwendung fallen Fehler und mögliche Verbesserungen viel schneller auf.
Ablauf des Frameworks
Design Thinking läuft als ein iterativer Prozess ab, der in der Regel aus sechs Schritten besteht: Verstehen, Beobachten, Standpunkt definieren, Ideenfidung, Prototyping und Testen. Der Prozess verläuft nicht zwingend linear ab, es kommt durchaus vor, dass einige Schritte mehrmals durchlaufen oder angepasst werden. Vor allem Erkenntnisse aus dem Testen können den Prozess verkürzt erneut anregen.
1. Verstehen: 🔎
Im ersten Schritt wird das Problem möglichst konkret beleuchtet. Folgende Fragen können dafür hilfreich sein: Was ist das Problem? Welche Dimensionen lassen sich identifizieren? Warum besteht das Problem, was sind die Hintergründe? Wie wirkt sich das Problem aus? Welche Aspekte oder Bereiche sind davon betroffen?
2. Beobachten: 👁️🗨️
Das Problem wird nun aus der Sicht der Nutzenden betrachtet. Dieser Ansatz geht davon aus, dass immer eine bessere Lösung gefunden werden kann, weshalb möglichst viele konkrete Informationen für die Umsetzung gesammelt werden sollten. Damit kann die Lösung möglichst viele bzw unterschiedliche Bedürfnisse abdecken.
Im nächsten Schritt geht es darum, die Bedürfnisse der Zielgruppe zu identifizieren. Hierfür gibt es verschiedene Möglichkeiten: a) Entweder erlebt oder beobachtet das Team die Nutzung bei der Kundschaft vor Ort. b) Oder es werden Interviews mit Nutzenden geführt, um eine bessere Einsicht für konkrete Bedürfnisse zu erhalten. c) Oder die Abläufe werden mithilfe fiktiver Personen konkretisiert. Zum Beispiel: Was sieht, denkt und fühlt Maren, wenn sie die Materialbestellungs-Seite auf der Webseite des Agility Labs sucht? Weitere Fragen sind: Wie handeln die Nutzenden? Was möchten sie mit diesem Produkt/ Projekt erreichen? Welche Funktionen brauchen sie dafür?
Wichtig hierbei ist es zudem nicht nur die 'ideale' Nutzung zu betrachten, sondern auch genutzte Abkürzungen, Shortcuts, o. Ä. zu erfassen. Am Ende sollte die tatsächliche Nutzung optimiert werden.
3. Standpunkt definieren: 🎯
Die gesammelten Informationen werden nun zusammengestellt und interpretiert. Welche Erkenntnisse haben wir gewonnen? Welches Problem möchten wir konkret angehen? Hier können User-Stories formuliert werden: Maren findet auf der Webseite des Agility Labs nach spätestens zwei Klicks die Seite zur Materialbestellung.
4. Ideen finden: 💡
Die Ideenfindung für konkrete Lösungsvorschläge lässt sich durch verschiedene Methoden wie zum Beispiel das Lego® Serious Play® oder die Kopfstandmethode lebendig gestalten. Es sollen möglichst viele Ideen gefunden werden, damit verschiedene Blickwinkel betrachtet werden. Empfehlenswert ist hier Out of the box thinking oder auch die Einbeziehung 'ungewöhnlicher' Ideen.
5. Prototyping: 🔧
Die Ideen werden in Form eines Prototyps umgesetzt. Dabei kann die konkrete Anwendung durch Rollenspiele erprobt werden. Dadurch können bereits erste Fehlschläge erkannt und frühzeitig behoben werden. Das neue Produkt sollte zudem so finalisiert werden, dass es marktfähig und technologisch umsetzbar ist.
6. Testen: 📝
Hier wird Feedback von Nutzenden und Stakeholdern eingeholt. Folgende Fragen werden dabei geklärt: Ist der Prototyp für den Nutzen geeignet? Wie gut funktioniert die Lösung in der Praxis? Sind alle Funktionen sinnvoll oder werden vermehrt Abkürzungen genutzt?
Double Diamond Aufbau
Die beschriebenen Schritte des Design Thinkings können in einer Art "Double Diamond", also in zwei vereinfachten Diamanten dargestellt werden. Dadurch werden die Schritte in divergentes und konvergentes Denken unterteilt. Bei divergentem, spielerischem Denken werden möglichst viele Ideen und Lösungsvorschläge gesucht. Beim konvergenten Denken hingegen soll möglichst rational eine konkrete Lösung gefunden werden. Die oben genannten Schritte werden in folgenden vier Phasen zusammengefasst:
1. Discover (Entdecken):
In dieser Phase soll das Problem aus der Sicht der Zielgruppe möglichst genau beschrieben werden. Es werden möglichst viele Informationen und konkrete Beobachtungen gesammelt. Diese Phase vereint die Schritte 1. Verstehen und 2. Beobachten. Das breite divergente Denken wird angewendet.
2. Define (Definieren):
Nun wird der Standpunkt definiert: die gesammelten Informationen werden strukturiert. Durch konvergentes Denken sollen Muster und wiederkehrende Probleme erkennbar werden.
3. Develop (Entwickeln):
Im zweiten Diamanten wird wieder auf divergentes Denken gesetzt. Für das vorliegende Problem sollen möglichst viele Lösungsvorschläge gefunden werden. Hierunter wird der Schritt 4. Ideen finden verstanden.
4. Deliver (Umsetzen):
Die gesammelten Lösungsansätze sollen nun im Schritt 5. als Prototypen umgesetzt werden und im letzten Schritt von Nutzenden getestet. Mithilfe konvergenten Denkens werden zielführende Funktionen weiterentwickelt und Fehler behoben.
Vorteile der Methode
- Design Thinking hilft Herausforderungen aus neuen Blickwinkeln zu betrachten, dadurch lässt sich auch die Kreativität, Empathie und Beobachtungskompetenz ausweiten. Der innovative Teamgeist wird gefördert und neue Kundschaftsgruppen können gezielter angesprochen werden.
- Die Methode eignet sich auch zur Optimierung von Arbeitsabläufen, denn durch die gewonnenen Erkenntnissees etabliert sich eine neue Kultur für innovatives Denken und Handeln.
- Nicht nur die Entwicklung neuer Produkte/ Prozesse/ Projekte kann angegangen werden. Design Thinking ist auch dafür geeignet bereits bestehende zu optimieren, da sie neu betrachtet und bewertet werden.
- Mithilfe dieser Methode können in kürzester Zeit zahlreiche Ideen und innovative Ansätze gefunden werden. Eine Herausforderung liegt dann in der Qual der Wahl.
- Dadurch, dass der Ansatz auf möglichst konkreten Erkenntnissen und Beobachtungen basiert, lässt er sich für die Ideenfindung in unterschiedlichsten Bereichen anwenden.
Mögliche Herausforderungen
- Design Thinking ist sehr zeitintensiv, es lohnt sich aber angesichts der realitätsnahen Lösungen die Zeit zu investieren. Alternativ können Design Sprints angesetzt werden, die einen verkürzten Prozess von zwei bis drei Tagen vorsehen. In sehr verkürzter Form können regelmäßige Meetings zur Beurteilung neuer oder bestehender Projekte angesetzt werden, denn auch kurze Reflexionen können zu neuen Erkenntnissen führen.
- Bei bereits fest etablierten Vorgängen kann es schwierig werden, neue Ideen zu finden. In so einem Fall empfiehlt es sich, andere Bereiche einzubeziehen oder externe und fachfremde Meinungen einzuholen, die eine neue Perspektive einbringen können. Auch eine Mischung aus erfahrenen und neuen Mitarbeitenden kann zu neuen Einsichten verhelfen.
Fazit
Design Thinking ist eine etwas zeitintensive Methode, mit welcher innovative Ansätze zu fertigen Produkten werden. Sie eignet sich für die Lösung komplexer Probleme und fördert das kreative Denken. Durch Beobachtungen der tatsächlichen Nutzung der Endprodukte, lassen sich konkrete Bedürfnisse der Kundschaft identifizieren. Neue und bestehende Produkte können so an diese angepasst werden und damit wird auch die Zufriedenheit der Kundschaft erhöht.
Quellen und weiteres zum Thema 📚:
Claudia Thonet, Marc Schmetkamp (2022): Agile Meetings und Workshops. Ein Arbeitsbuch.
Aufzeichnung unseres Lunch & Learns "Einblicke in Design Thinking und die Design Factory Stuttgart "
Text: Karolina Laksa