Tipps für die Lehre

Eine, mit Blick auf die Diversity Dimension soziale Herkunft, inklusive Gestaltung der universitären Lehre kann sich positiv auf das Wohlbefinden und die Chancen von First-generation Studierenden auswirken.

Die Bedeutung inklusiver Lehre…

Aus studentischer Sicht sind es vor allem Lehrende die als
Repräsentant*innen der Universität agieren. Sie beeinflussen durch ihr Handeln und Verhalten im Wesentlichen das Wohlbefinden, die Leistungsbereitschaft, und die Erfolgschancen, sowie auch das Interesse an einer späteren akademischen Laufbahn der Studierenden und tragen somit eine große Verantwortung. 

Im Folgenden finden Lehrende daher einige Tipps wie sie Lehrveranstaltungen mit Hinblick auf die Dimension soziale Herkunft inklusiver gestalten können, um First-generation Studierende
besonders zu fördern. 

Das kleine 1x11 an Tipps für die Lehre

Achten Sie auf eine wertschätzende Kommunikation auf Augenhöhe, welche sich an die Kenntnisse Ihrer Studierenden anpasst. Achten Sie in diesem Zuge beispielsweise auch darauf, welche Fachtermini Sie verwenden und was Sie als gegebenes Vorwissen voraussetzen. Vermeiden Sie Formulierungen wie z.B., „Wie wir ja alle wissen…“, denn häufig haben eben (noch) nicht alle Ihrer Studierenden dieses Wissen.

Fehler sind Teil des Lernprozesses und kein Rückschlag, sondern eine Lernchance. Wenn Sie diese Einstellung in Ihren Lehrveranstaltungen vertreten, profitieren nicht nur Studierende mit nichtakademischem Hintergrund, sondern alle Ihrer Studierenden. Zudem sorgen Sie dadurch aktiv für eine angstfreie Lernatmosphäre.

Unklarheiten sind ein Teil des Lernprozesses und bei der Wissensvermittlung an der Tagesordnung.  Ermutigen Sie daher Studierende dazu Fragen zu stellen, wenn ihnen etwas unklar ist. Vor allem Studierende mit nichtakademischem Hintergrund scheuen sich oftmals Fragen in Lehrveranstaltungen zu stellen, um nicht als ‚weniger intelligent‘ aus der Masse hervorzustechen. Für Sie gilt daher: Antworten wie „Das ist trivial!“ oder „Das sollten Sie aber bereits wissen“ sollten vermieden werden. Diese sind weder lernförderlich, noch tragen Sie zum Wohlbefinden Ihrer Studierenden bei.

Transparenz ist im Lehr- und Lernalltag von großer Bedeutung, vor allem im Bezug auf prüfungsrelevante Angelegenheiten. Geben Sie zu Beginn ihrer Lehrveranstaltung bzw. zu Beginn des Semesters Antworten auf Fragen wie beispielsweise: Ist der Besuch der Sprechstunde verpflichtend oder optional? Welche Theorien bzw. Inhalte müssen allen am Ende des Semesters / Studiums ein Begriff sein? oder Anhand welcher Kriterien werden Prüfungsleistungen bewertet? Verweisen Sie zudem auf existierende Materialien, z.B. den Leitfaden für wissenschaftliches Arbeiten ihres Instituts, und geben Sie an wo diese zu finden sind.

Ermutigen Sie Studierende die eigenen wissenschaftlichen Interessen zu verfolgenund unterstützen Sie sie dabei. Dies können Sie beispielsweise durch Empfehlungsschreiben für Stipendienbewerbungen, Veröffentlichung von Hausarbeiten, Werbung für extracurriculare Angebote, oder Hinweisen zu aktuellen Ausschreibungen für studentische Hilfskräfte tun. 

Als Diversity-relevante Themen sind soziale Herkunft und Bildungsaufstieg von großer Bedeutung. Integrieren Sie sie daher als Lehrthemen in ihre Seminare und Vorlesungen. Dies kann in unterschiedlichster Form geschehen, beispielsweise in den Sozialwissenschaften anhand von Sozialstrukturanalysen, oder in der Literaturwissenschaft anhand von Bildungsaufstiegsromanen.

Geben Sie Studierenden die Chance im Rahmen Ihrer Lehrveranstaltungen neue Kontakte zu knüpfen. Gerade first-generation Studierende fühlen sich oftmals fehl am Platz an der Universität. Durch entsprechende Maßnahmen können Sie daher aktiv dazu beitragen, das Zugehörigkeitsgefühl der Studierenden zu stärken. Hierfür bieten sich vor allem interaktive Formate wie z.B. Gruppenarbeiten, Diskussionsrunden, oder Ähnliches an. Binden Sie, sofern möglich, auch Studierende höherer Semester in ihre Lehrveranstaltungen mit ein, sodass diese als Vorbilder für jüngere Studierende agieren können. 

First-generation Studierende bringen oftmals ein anderes Vorwissen mit, bekommen weniger Unterstützung von ihrer Familie, haben zusätzliche familiäre Verpflichtungen, oder müssen neben ihrem Studium einem Nebenjob nachgehen, um ihr Studium finanzieren zu können. All dies hat einen Einfluss auf ihre Leistungsfähigkeit und darauf, wie viel Zeit die Studierenden aktiv für ihr Studium aufwenden können. Es ist wichtig, dass Sie Verständnis für diese Lebensrealitäten zeigen und diese in Ihren Lehrveranstaltungen berücksichtigen. Um mehr Flexibilität und Individualität im Studium zu ermöglichen, achten Sie bspw. auf Methodenvielfalt in Ihren Lehrveranstaltungen, stellen Sie Zusammenfassungen oder Vorlesungsaufzeichnungen zur Verfügung für Studierende, die nicht an allen Sitzungen teilnehmen können, oder bieten Sie längere Bearbeitungszeiten an. 

Nutzen Sie Ihre Lehrveranstaltungen um auf Angebote der Universität aufmerksam zu machen, die für Ihre Studierenden interessant oder hilfreich sein könnten. Bei diesen kann es sich beispielsweise um Kurse der Schreibwerkstatt oder des Sprachenzentrums, Podiumsdiskussionen, oder extracurriculare Workshops an Ihrem Institut handeln. Machen Sie in diesem Zuge auch gern auf Anmeldefristen für Lehrveranstaltungen oder Prüfungen aufmerksam.

Waren Sie selbst Erstakademiker*in? Scheuen Sie sich nicht dies offen zu kommunizieren und beispielsweise auch von Ihren Erfahrungen zu berichten. Dies kann Studierenden ein Gefühl des Dazugehörens vermitteln und sie ggf. sogar dazu motivieren ebenfalls eine Karriere in der Wissenschaft in Erwägung zu ziehen.

Bieten Sie Studierenden an mit Fragen rund ums Studium zu Ihnen kommen zu können. Gegebenenfalls können Sie die Studierenden mit ihren Anliegen an die entsprechende Beratungsstelle oder die Fachstudienberatung weitervermitteln. Hierzu können Sie gern alle weiteren Inhalte der POWERst Toolbox nutzen. 

Reflexionsfragen Habitussensibilität

Zu einer strukturierten Reflexion Ihres eigenen Habitus und wie dieser Ihre Lehre und Denk- oder Handlungsweisen prägt, orientieren Sie sich an den folgenden Reflexionsimpulsen: 

Reflexionsimpulse zur eigenen Bildungsbiographie
  • Welche Startvoraussetzung hatte ich selbst für mein Studium?
  • Hatte ich ein Vorbild (z.B. in der eigenen Familie) für mein Vorhaben ein Studium zu absolvieren?
  • Habe ich Unterstützung für meinen Studienwunsch durch mein Elternhaus erfahren? Welche Hürden musste ich alleine bewältigen?
  • Habe ich selbst Diskriminierung (z.B. aufgrund meines Geschlechts, meiner Nationalität oder sozialen Herkunft) oder eine Bevorzugung während meines Studiums/Werdegangs/Lebens erlebt? Welcher Art?
  • Habe ich mich ausschließlich auf mein Studium konzentrieren können? Hatte ich familiäre Verpflichtungen oder musste ich mein Studium durch einen Nebenjob selbst finanzieren?
Reflexionsimpulse zum Selbstverständnis als Lehrende*r
  • Welche Bedeutung hat z.B. meine Nationalität, mein Geschlecht, mein Alter oder mein persönlicher Lebensentwurf auf meine Rolle als Lehrende*r?
  • Welche Bedeutung haben diese Merkmale meiner Persönlichkeit für die Studierenden und ihr Verhalten?
  • Inwieweit sehe ich Diversität als bereicherndes Element für den Lernprozess?
  • Ist meine Erwartung hinsichtlich der Leistung der einzelnen Studierenden unabhängig von Geschlecht, Nationalität, Alter, sozialer Herkunft etc.?
  • Welche stereotypen Vorstellungen habe ich gegenüber meinen Studierenden bzw. den unterschiedlichen Gruppen und wie sind diese entstanden?
  • Reproduziere ich in meiner Lehrveranstaltung Stereotype durch mein eigenes Verhalten?
Reflexionsimpulse zur Vielfalt der Studierenden
  • Wie divers ist meine Studierendengruppe? Inwieweit ist ihre Diversität sichtbar oder unsichtbar?
  • Welchen Stellenwert räume ich der Heterogenität der Studierenden in meiner Lehrveranstaltung ein?
  • Hat die Diversität meiner Studierenden Einfluss auf die Ausgestaltung meiner Lehrveranstaltung? Was bedeutet die Diversität der Studierenden für meine Lehrveranstaltung/für den Lernprozess?
  • Welche Hürden gibt es für die einzelnen Studierendengruppen aufgrund bestimmter Diversitätsfaktoren?

Weiterführende Materialien

Mixed Classroom Model der
VU Amsterdam

Die VU Amsterdam bietet mit ihrem Mixed Classroom Model ein fundiertes, praxiserprobtes, hochschuldidaktisches Konzept, mit dem Sie aus der Diversität Ihrer Studierenden einen Mehrwert für Ihre Lehrveranstaltungen und den Lernerfolg Ihrer Studierenden ziehen können. Neben einer Vielfalt konkreter Tipps für die Unterrichtsgestaltung, unterstzütz Sei das Modell mit einer großen Auswahl an praktischen Methoden. 

Mixed Classroom Model

Diversity Leitfaden der Uni Stuttgart

Die Arbeitsgruppe Diversity liefert mit dem Diversity Leitfaden der Universität Stuttgart Ideen für diversitätssensible Lehre darstellen, Links zu weiterführenden Dokumenten, zu einzelnen Themen bzw. Diversity-Kategorien sowie zu Ansprechpersonen, die Sie nutzen können, wenn Sie sich vertieft mit einzelnen Aspekten beschäftigen wollen bzw. wenn die von Ihnen betreuten Kursgruppen entsprechende Bedarfe aufweisen.

Diversity Leitfaden

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