Biologische Systeme: das perfekte Zusammenspiel

Im Inneren des menschlichen Körpers sind alle biologischen Systeme, z. B. das Nervensystem, das Herz-Kreislauf-System oder der Bewegungsapparat miteinander verbunden und aneinander gekoppelt, d. h. nichts läuft alleine.

Wir wollen den menschlichen Körper besser verstehen. Wir fragen uns z. B., wie komplexe Bewegungsabläufe erzeugt und kontrolliert werden oder wie Organe funktionieren. Uns interessiert aber auch, wie Krankheiten entstehen und wie man erfolgreich gegen sie vorgeht. So tragen wir beispielsweise zur Entwicklung von Krebstherapien bei.

Von groß nach klein und umgekehrt

Dies alles sind schwierige Fragestellungen. Um Antworten zu finden, müssen wir das komplexe Zusammenspiel von Einheiten des menschlichen Körpers auf verschiedenen Größenebenen verstehen.

Dies beginnt mit den menschlichen Zellen als kleinste Einheiten. Eine durchschnittliche Zelle hat einen Durchmesser von 25 Mikrometern und ist für das menschliche Auge nicht sichtbar. Ein erwachsener Mensch setzt sich aus rund 75 Billionen (1012) Zellen zusammen. Die Prozesse in einzelnen Zellen beeinflussen unsere Bewegungsabläufe und das Funktionieren unserer Organe. Aber auch Veränderungen auf der Organ- und Muskelebene (z. B. mechanische Kräfte) haben wiederum Einfluss auf einzelne Zellen. Dies ist ein komplexes Wechselspiel über viele Größenskalen hinweg.

Um Antworten auf unsere Fragen näher zu kommen, forschen wir auf unterschiedlichen Größenebenen: vom gesamten Menschen, über Organe, Zellen bis auf die Proteinebene.

Gemeinsam für den Menschen

Hierfür arbeiten Forscher*innen aus ganz unterschiedlichen Disziplinen:

  • Bewegungswissenschaftler*innen und Physiker*innen messen die Bewegung des Menschen im Alltag und im Sport.
  • Die Biolog*innen führen Experimente an Zellen und Organen im Labor durch.
  • Mathematiker*innen und Informatiker*innen entwickeln Computermodelle, um diese Experimente zu erklären und somit die Funktions- und Wirkungsweise biologischer Systeme auf unterschiedlichen Skalenebenen besser zu verstehen und Vorhersagen zum Verhalten in verschiedenen Lebenssituationen (Krankheit, Alter, sportliches Training) zu erstellen.

Das Verständnis des komplexen Zusammenspiels der vielen Bestandteile im menschlichen Körper ist nur durch die gemeinsame Forschung aller Disziplinen möglich. Unsere Erkenntnisse bringen uns nicht nur näher an die Geheimnisse des Körpers heran, sondern tragen auch dazu bei, die Gesundheit und das Wohlbefinden der Menschen zu verbessern.

Personalisierte Medizin und maßgeschneiderte Therapien für die Zukunft

Computermodelle des menschlichen Körpers oder einzelner Organsysteme können sowohl eine individuelle Gesundheitsversorgung als auch die Entwicklung maßgeschneiderter biomedizinischer Produkte unterstützen und voranbringen. Hierzu müssen diese Modelle jedoch die vielfältigen Wechselwirkungen biologischer Systeme auf unterschiedlichen Strukturebenen reproduzieren. Hierfür sind umfangreiche experimentelle Daten auf Zell-, Organ -und Organismusebene notwendig. Darüber hinaus erfordern individuelle Modellvorhersagen die Berücksichtigung der Variabilität biologischer Systeme sowie die Entwicklung individualisierter Multiskalenmodel

Modelle für komplexe biologische Systeme

Unser übergeordnetes Ziel in SimTech ist die Entwicklung detaillierter Computermodelle komplexer biologischer Systeme, die verschiedene Skalen und heterogene Daten miteinander koppeln. Hierbei konzentrieren wir unsere Forschung auf Bereiche, in denen gekoppelte Struktur-Funktionsansätze eine zentrale Rolle spielen und ein dringender Entwicklungsbedarf besteht. Hierzu zählen die Neuromechanik, insbesondere das neuromuskuläre System sowie proliferative und degenerative Erkrankungen. Unser Fokus liegt sowohl auf dem grundsätzlichen Verständnis physiologischer und pathologischer Zusammenhänge als auch deren Modellierung sowie der Etablierung neuer Simulationsmethoden.

Das Zusammenspiel von Nerven und Muskeln

Unsere Forschungen zum neuromuskulären System befassen sich mit generellen Fragen zu den grundlegenden Mechanismen der Bewegungserzeugung und Bewegungskontrolle. In anwendungsorientierten Studien nutzen wir dieses Wissen, um neurodegenerative Erkrankungen, altersbedingte Veränderungen und individuelle Bewegungsstrategien besser zu verstehen und dadurch Therapien zu optimieren. Dazu entwickeln wir ein integratives biophysikalisches Systemmodell, das Muskelrekrutierung, Physiologie und Mechanik umfasst. Die dafür notwendigen experimentellen Daten und Modellparameter werden in unserem Neuromechanik-Labor erfasst. 

Von der Simulation zur Therapie

Strategien zur modellbasierten Optimierung der Behandlung proliferativer Erkrankungen erfordern ein besseres Verständnis der Mechanismen auf zellulärer Ebene. Daher koppeln wir Daten aus neuartigen Einzelzellenanalysetechniken mit gemittelten Populationsdaten. Dies ermöglicht die Entwicklung von Multiskalen-Modellierungsansätzen für die Zellproliferation und das Tumorwachstum basierend auf krebssubtypspezifischen Mutationen. Die Integration individualisierter Patient*innendaten in einen solchen Modellierungs-Simulations-Analyse-Zyklus und die Entwicklung entsprechender (multizellulärer) Modellierungsansätze stellt ein Bindeglied dar, das derzeit für eine modellbasierte, personalisierte Krebsbehandlung fehlt.

Wir sehen in unserer Forschung den Grundstein für zukünftige Entwicklungen im Bereich der Modellierung und Vorhersage menschlicher Bewegungen, der Biotechnologie und der individualisierten medizinischen Therapie.

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