Projektüberblick

Eine kurze Beschreibung für das Inno-Uhren Projekt

Gemeinsames interdisziplinäres technikhistorisch-betriebswirtschaftliches Forschungsprojekt des Lehrstuhls für ABWL, insbesondere Innovations- und Dienstleistungsmanagement, Prof. Dr. Wolfgang Burr, und des Lehrstuhls für Wirkungsgeschichte der Technik, Prof. Dr. Reinhold Bauer, der Universität Stuttgart.

Das Projekt wird gefördert mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung.

In Ost- wie in Westdeutschland war die Uhrenindustrie nach 1945 eine in mehrfacher Hinsicht wichtige Branche: Sie hatte ein erhebliches  gesamtwirtschaftliches Gewicht, war stark exportorientiert und innovationsstark. Das vorgeschlagene Forschungsvorhaben möchte die Entwicklung der gesamtdeutschen Uhrenindustrie und einzelner Unternehmen von Mitte der 1970er Jahre bis heute vor dem Hintergrund der tiefgreifenden markt-, technologie- und wirtschaftssysteminduzierten Umbrüche und Krisen in einem interdisziplinären Ansatz erklären und verstehen. In beiden deutschen Staaten geriet die Uhrenindustrie seit Mitte der 1970er Jahre in verschiedenartige Krisen, die z. T. systemspezifische (erste Globalisierungskrise und Nachfragesättigung im Uhrenmarkt in Westdeutschland, Innovationsschwäche der Zentralverwaltungswirtschaft in Ostdeutschland), z. T. systemübergreifende (Entwicklung der Mikroelektronik und Quarztechnologie) Gründe hatten. In Bundesrepublik wie DDR formierte sich eine letztlich branchenbedrohende  Krise, die in der DDR im Marktaustritt der ehemals verstaatlichten Uhrenindustrie infolge der Transformationskrise nach 1989/90 kulminierte. In der Nachwende-Ära gelang dann eine partielle Wiederbelebung der ostdeutschen Uhrenindustrie am traditionsreichen Standort Glashütte. Im Westen wurde die z. T. bis heute schwelende Branchenkrise mit unterschiedlichem Erfolg bewältigt: Während einzelne Unternehmen die Krise ökonomisch nicht überlebten, gelang anderen nach einer schwierigen Übergangsphase eine partiell erfolgreiche Anpassung. In den west- wie ostdeutschen Uhrenbau-Regionen manifestierten sich die Krisen in zunehmender Arbeitslosigkeit sowie in gesellschaftlicher Verunsicherung. In der  Uhrenbranche kann somit kein simples West-Ost-Narrativ entworfen werden (Westen = Erfolg, Osten = Niedergang).

Konkret untersucht das Forschungsvorhaben auf der Basis zweier Teilprojekte die erfolgreiche Behauptung bzw. Nicht-Behauptung von Unternehmen einer Branche in Krisenphasen. Dabei soll danach gefragt werden, wie die verantwortlichen Akteure in Unternehmen/Betrieben bzw. Branchen in West und Ost Krisen erkennen, interpretieren und ggf. bewältigen bzw. unter welchen Bedingungen dies eben nicht gelingt. Das unterschiedliche Krisenbewältigungsvermögen in Ost- und Westdeutschland bzw. bei einzelnen Uhrenunternehmen kann erklärt werden durch unterschiedliche Krisenwahrnehmung und differierende Krisenreaktionsstrategien. Zentral für die gelungene bzw. misslungene Krisenbewältigung sind dabei drei Faktoren: erfolgreiche bzw. gescheiterte Innovationsvorhaben der Unternehmen, gelungener bzw. misslungener Kompetenzaufbau (z. B. Know-how der Quarzuhr) und Kompetenzerhalt (z. B. in der mechanischen Uhrenherstellung) bei relevanten Technologien sowie die Fähigkeit bzw. fehlende Fähigkeit zur Mobilisierung von regionalen Innovations- und Unterstützungsnetzwerken (Zulieferer, Kooperationspartner, Staat, Gesellschaft, lokale Bürgerschaft) für das Unternehmen. Unser besonderes Interesse wird sich dabei auf die Bedeutung unternehmensexterner Innovations- und Unterstützungsnetzwerke für die Krisenbewältigung konzentrieren. Auch hier verspricht der synchrone West-Ost-Vergleich sowie der Vorwende-Nachwende-Vergleich erhebliches Erkenntnispotential.

Das Forschungsdesign zeichnet sich durch enge Kooperation zwischen (technik-)historischer und betriebswirtschaftlicher Innovationsforschung aus, wobei wiederum eine chronologisch untergliederte (technik-)historisch-betriebswirtschaftliche Branchenstudie der deutschen Uhrenindustrie (ca. 1975 bis heute) mit vier vertieften Firmenfallstudien integriert wird. Von der interdisziplinären Zusammenarbeit können beide Disziplinen durch die Bündelung ihrer spezifischen methodischen Stärken profitieren.

Von besonderer Bedeutung im Rahmen des Projektes wird der Transfer der gewonnenen Erkenntnisse in Wissenschaft, Politik, Unternehmenspraxis und interessierte Öffentlichkeit sein. Die Fragestellungen und voraussichtlichen Untersuchungsergebnisse des vorgeschlagenen Forschungsprojektes sind in verschiedener Hinsicht aktuell und relevant, insbesondere da es um Innovativität in Krisenzeiten, regionale Deindustrialisierung, Reindustrialisierung und die Zukunft industrieller Produktion in entwickelten Ländern sowie gesellschaftliche Kooperation zur Krisenbewältigung geht. Ziel ist dabei, Aussagen über den Erhalt bzw. die Wiederherstellung von Zukunftsfähigkeit von Unternehmen und Regionen zu generieren. Daraus ergeben sich sowohl die gesellschaftliche wie die hohe wissenschaftliche und wirtschaftliche Relevanz des Vorhabens.

Projektlaufzeit: vom 01.12.2017 bis 30.11.2020

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